Nach über einem Jahr hybridem Arbeiten stellen viele Unternehmen die Nebenwirkungen fest. Auf der einen Seite die starke Forderung von Mitarbeitern, primär im Homeoffice arbeiten zu wollen. Auf der anderen Seite lässt die Produktivität stark nach, die Kultur leidet, die Stimmung zum Jahresende ist in vielen Unternehmen nicht euphorisch. Was tun?
Eine beobachtete Zerrissenheit: In Gesprächen mit Managern erlebe ich gerade eine Unsicherheit, welche hybride Arbeitsform die Leistung hochhält und anhaltend funktioniert.
In manchen Unternehmen möchten ganze Abteilungen lieber nur noch von zu Hause arbeiten, während die Geschäftsführer am liebsten die gesamte Mannschaft wieder im Büro vereinen möchten.
Viele neu eingestellte Kolleg*innen wurden im vergangenen Jahr virtuell eingearbeitet, haben nie `Stallgeruch´ gewittert und sind nach der Probezeit bei weitem nicht so fit wie in früheren Zeiten. Selbst bei dem Inhaber, der den Mitarbeitern zuliebe die 50/50 Regel eingeführt hat – die Hälfte der Arbeit im Büro und die andere Hälfte aus der Ferne – gibt es Diskussionen, wenn ein Mitarbeitender an „seinem“ Home-Office-Tag doch im Büro benötigt wird.
Herausfordernde Zeiten also. Die Erwartungen vom Unternehmen und den Beteiligten müssen gut ineinandergreifen. Denn schon jetzt ist klar: in einem harten Wettbewerb um Talente bieten bald viele Firmen attraktive Arbeitszeitmodelle – wer keine Organisationsstruktur schafft, in der Mitarbeiter sich entfalten können wird Mitarbeitende verlieren.
Wie gelingt also eine hybride Zusammenarbeit mit hoher Produktivität?
Eine Studie von Gartner (“Redesigning Work for the Hybrid World.”) ergab, dass Unternehmen mit einem hohen Maß an Flexibilität und Wohlbefinden der Mitarbeiter eine fast dreimal so hohe Mitarbeiterleistung aufweisen.
Die Beziehungen zu den Mitarbeitern und deren Feedback sind für den Erfolg eines Unternehmens immer wichtiger. Wenn es eine neue Technologie gäbe, die so viel leisten würde, würden wir sofort investieren.
3:2 – Regelung reicht nicht aus
Die hybride Arbeitswelt bringt sehr viel Flexibilität mit sich, die wir vorher nicht hatten. Schon jetzt beobachten wir in vielen Firmen den Trend zur Drei-Tage-Büro-Woche und der Zwei-Tage-Fernarbeit, was Vorteile für Mitarbeiter vor Ort aber auch an anderen Orten mit sich bringt. Gleichzeitig reicht es nicht aus, lediglich die Prinzipien der physischen Arbeit hybrid abzubilden, nur den Arbeitsort ins Homeoffice zu verlagern. Es braucht ein Umdenken und eine neue Gestaltung der Arbeitsweise.
Ein mitarbeiterorientierter Ansatz für flexibles Arbeiten ermöglicht es den Mitarbeitern, mitzuentscheiden, wo, wann und wie sie arbeiten.
Die Lösung liegt im menschen-orientierten Ansatz
Viele hybride Arbeitszeitmodelle haben ihre Berechtigung, jedoch sollten Arbeitgeber anfangen, den Bedürfnissen ihrer Mitarbeitenden und den dazu passenden Prozessen mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Ein mitarbeiterorientierter Ansatz für flexibles Arbeiten ermöglicht es den Mitarbeitern, mitzuentscheiden, wo, wann und wie sie arbeiten.
Erste Erfahrungen können ein guter Anfang sein und als Entwicklung betrachtet werden, um klare Erwartungen des Managements mit Feedback und Vorschlägen der Belegschaft zu kombinieren. Es braucht ein menschenorientiertes Modell anstatt einem bürozentrierten Ansatz. Aktives Einholen von Feedback zu den Mitarbeiterbedürfnissen, Dialog zur Produktivität und Output sowie gemeinsame Anpassungen und effiziente Prozesse sichern eine starke Kultur mit Commitment.
Flexible Arbeit muss zum Standard werden
Um diesen Wandel erfolgreich zu vollziehen, müssen Arbeitgeber die flexible Arbeit entstigmatisieren, indem sie sie zum Standard machen – und nicht zur Ausnahme. Bei welchen Anlässen profitieren alle von der Nähe zu Kollegen? Wie lassen sich Motivation und Zusammenarbeit immer wieder verbessern?
Es sollten Grundsätze und nicht Richtlinien für die flexible Arbeit entwickelt werden.
Welche hybride Arbeitsform für das eigene Unternehmen passt, muss ausprobiert und angepasst werden – bis es am besten zur eigenen Kultur passt und wirtschaftlich gut funktioniert.
Von Führungskräften wird mehr Empathie gefordert
Mitarbeiter durch Feedback in solch grundsätzliche Entscheidungen einzubeziehen – wie kann das funktionieren? Es braucht eine veränderte, empathische Führung.
Für eine zukunftsfähige Arbeitsweise müssen Führungskräfte ihre Arbeitsteams und deren geleistete Arbeit kennen. Sie müssen auch verstehen, wie sich das Team auf andere Bereiche des Unternehmens auswirkt. Und sie müssen ihren Verantwortungsbereich wie ein kleines Unternehmen führen, das flexibel auf die Bedürfnisse der Kunden eingehen kann.
Die Beteiligung der Mitarbeitenden an wichtigen Entscheidungen (durch Input und Feedback) schafft das Gefühl der Wertschätzung, das Menschen dazu veranlasst, in einem Unternehmen zu bleiben. Und eine vertrauensvolle Flexibilität ermöglicht es dem Einzelnen, persönliche und berufliche Verpflichtungen miteinander in Einklang zu bringen – auch das erhöht die Bindung ans Unternehmen. Damit ist dies für Manager keine „Kann-Aufgabe“, sondern ein „Must do“. Führungskräften, die eine produktive, hybride Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Mitarbeitenden fördern wollen, empfehle ich folgende Must-Dos.
Damit ist dies für Manager keine „Kann-Aufgabe“, sondern ein „Must do“.
4 x Management Must-Do`s zur Erreichung einer optimalen hybriden Arbeitsweise
Führungskräften, die eine produktive, hybride Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Mitarbeitenden fördern wollen, empfehle ich folgende Must-Dos.
Must-do (1): Kennen Sie die Wohlfühl-Umstände Ihrer Teammitglieder
Schenken Sie Ihren Mitarbeiterinnen Aufmerksamkeit und echtes Interesse. Es gibt etliche Studien, die belegen, dass die Beziehungen zu Chefs und Vorgesetzten für die Arbeitszufriedenheit und damit für das Wohlbefinden der Mitarbeiter entscheidend sind. Wenn Sie ein Team hin zur Flexibilität steuern wollen, bringen Sie sich ein, um sicherzustellen, dass Ihre Mitarbeiter engagiert sind.
Eine vernetzte Führungskraft kennt die Teammitglieder persönlich und weiß, unter welchen individuellen Bedingungen sie am besten arbeiten und sich als Person und Arbeitskraft entfalten können.
Fragen, um die Motivation Ihrer Mitarbeiter herauszufinden:
- Wann arbeitest Du in Deinen Stärken – was behindert Dich aktuell?
- Wodurch fühlst Du Dich bei der Arbeit wertgeschätzt?
- Womit würdest Du gerne weniger Zeit verbringen?
- Welche Unternehmensprozesse könnten wir anpassen, um die Effizienz zu steigern?
- Welche Instrumente oder Prozesse helfen Dir, Dich stärker zu involvieren?
Must-do (2): Klären Sie alle (wirtschaftlichen) Erwartungen und passen Sie die Arbeitsweise daran an
Wissen Ihre Mitarbeiter, welche geschäftlichen Anforderungen aktuell bestehen, um Kundenerwartungen oder Unternehmenserfolge zu sichern? Stellen Sie hier zunächst ein gemeinsames Verständnis sicher, bevor Sie Änderungen vornehmen. Vor diesem Hintergrund können Sie im Team Flexibilität schaffen. Achten Sie darauf, Ihre Gespräche mit dem Ziel zu führen, ein Klima des Erfolgs zu schaffen.
Um den Bedarf an Produktivität und Schnittstellen zu ermitteln, könnten Sie fragen:
- Sind Dir die Benchmarks, Ziele und Fristen im Team klar?
- Ist Dir klar, was von Dir erwartet wird und was eine erfolgreiche Leistung ausmacht?
- Wann und wie oft kommunizierst Du teamübergreifend / mit Kunden? Zu welchen Zeiten überschneiden sich Eure Aufgaben am häufigsten?
Um den individuellen Präferenzen auf den Grund zu gehen, könnten Sie fragen:
- Hast Du Fragen zu Deiner Rolle bei der Verwirklichung der Vision des Unternehmens?
- Was hilft Dir Dich zu konzentrieren? Was lenkt Dich ab?
- Welche Kommunikationsmethoden funktionieren für Dich am besten bei der Arbeit im Team / teamübergreifend / mit Kunden oder Externen?
Mit einem umfassenden Verständnis des Zwecks des Teams und seiner Einbindung in die übrige Organisation sollte ein Manager in der Lage sein, das Team dazu zu bringen, einen praktikablen Zeitplan zu finden, der die Ziele des Unternehmens in Bezug auf Zusammenarbeit und Produktivität in Kombination mit den individuellen Präferenzen unterstützt.
Must-do (3): Optimieren Sie Ihr Arbeitsmodell, bis es funktioniert
Nach Einführung einer hybriden Arbeitsweise mit Zeitplan reflektieren Sie regelmäßig (z.B. alle 2 Monate) mit Ihrem Team, welche Aspekte funktionieren und welche nicht. Halten Sie nicht am Status Quo fest! Es ist wichtig, als Führungskraft wiederkehrendes Feedback zu fördern und die Richtlinien so anpassen, dass sie den Bedürfnissen des Unternehmens entsprechen.
Beispielfragen für ein 2-monatliches Review-Meeting:
- Was hat in der hybriden Arbeitsweise gut funktioniert, welche Vorteile habt Ihr erfahren?
- Wie produktiv seid Ihr aktuell?
- Auf welche Schwierigkeiten sind Ihr gestoßen?
- Wo sollten wir im nächsten Quartal die Art und Weise unserer Zusammenarbeit anpassen?
Must-Do (4): Führen Sie nach Ergebnisse
Nicht die Stundenanzahl, die Herangehensweise oder die Menge des Inputs sind in der modernen Welt entscheidend, sondern die Ergebnisse, die Mitarbeitende erzielen. Dies veränderte Führungsrolle ist eine große Herausforderung für viele Manager.
Ein einfühlsames Führen von Teams bedeutet eine veränderte Erwartungshaltung hin zu Leistung nach Ergebnissen. Nicht der Einblick und Eingriff in die Detailarbeit des Mitarbeiters ist relevant, sondern die Unterstützung und enge Abstimmung hin zu vereinbarten Ergebnissen. Hier besteht eine neue Herausforderung für Manager und Führungskräfte, da sich ihre Rolle hier stark verändern muss.
Mein Appell zum Schluss:
Wir befinden uns in einer Zeit, in der Geschwindigkeit und Flexibilität gefordert und belohnt werden. Treffen Sie deshalb so grundlegende Entscheidungen zur Arbeitsweise der Zukunft nicht top down, sondern involvieren Sie Ihre Mitarbeitenden, um eine starke Kultur und damit eine hohe Leistungsfähigkeit sicherzustellen.
Hybrides Arbeiten ist ein Prozess – betrachten Sie Ihre ersten Festlegungen als ein Experiment, das sukzessive geändert werden kann, wenn sich die Umstände ändern. Bleiben Sie offen und flexibel mit weiteren Anpassungen, damit die hybride Arbeitsweise den Unternehmenszielen und den Bedürfnissen der Mitarbeitenden optimal gerecht werden.
Mitarbeiterorientierte Flexibilität ist nicht nur der Schlüssel zur Akzeptanz, sondern führt auch zu einer fast dreifachen Steigerung der Mitarbeiterproduktivität. Es lohnt sich, diese Herausforderung anzunehmen.
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