Wir stecken inmitten der Transformation – Unternehmen müssen mit Weitblick agieren und sich frühzeitig auf die aktuellen Entwicklungen einstellen, damit sie mit der Entwicklung wachsen können.

Die letzten zwei Jahre waren für alle, für Unternehmer und Mitarbeitende, eine außergewöhnliche Erfahrung. Alle waren plötzlich gezwungen, sich flexibel auf eine neue Situation einzustellen. Nicht nur die Art zu arbeiten hat sich vielfältig verändert, auch die Erwartungen an Leben und Karriere ändern sich bei vielen Menschen.

Mir fallen gerade immer mehr Beiträge und Studien auf, wie sich das (Arbeits-) Leben in 2022 entwickeln wird. Unternehmer erleben schmerzlich, dass Recruiting, Kultur im Unternehmen, Führung und Zielerreichung deutlich anspruchsvoller werden. Vieles, was früher funktioniert hat, greift jetzt nicht mehr.

Doch welche Langzeitfolgen haben diese Erfahrungen für uns? Wie wird sich die Arbeitswelt verändern? Welche Trends bestimmen die Arbeitswelt 2022?

Hier teile ich eine Gedanken dazu – ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Welche „Big Topics“ werden Ihrer Meinung nach das Jahr 2022 bestimmen?

1. Mental Health wird Bestandteil der Arbeitskultur

Die Pandemie hinterlässt nach zwei Jahren tiefe Spuren – gesellschaftlich, wirtschaftlich, mental. Die Zahl schwerer depressiver Störungen und Angststörungen ist in der COVID-Zeit jeweils um etwa 17 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen.

Laut einer Untersuchung der Betriebskrankenkasse Pronova wirken sich psychische Belastungen bei vielen Menschen direkt auf die körperliche Gesundheit aus. Auch einige meiner Kunden berichteten von plötzlichen Burnout-Ausfällen in ihrer Belegschaft, ohne vorherige Ankündigung. Leider ist es häufig immer noch ein Tabu, laut einer LinkedIn-Studie trauen sich 39 Prozent der Betroffenen nicht, psychische Probleme im Job anzusprechen.

2022 sollten noch mehr Unternehmen Mental Health in ihre Arbeitskultur integrieren, auch aus ökonomischer Sicht. Denn wer psychisch krank ist, ist nicht nur gesundheitlich gefährdet, sondern hat womöglich auch mit einem Mangel an Motivation und Konzentrationsfähigkeit im Job zu kämpfen. Dies belegt auch eine Beschäftigtenbefragung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.

Lösungen hierfür könnte eine Vertrauenssprechstunde sein, mentales Coaching bis hin zu digitalen Therapiestunden und den Einsatz von Apps, die Emotionen und Motivation tracken.

Was unternehmen Sie, damit der Arbeitsplatz zum “Mental-Health-Care-Place” wird?

2. Sinn im Job ist ein Asset – Job-Mobilität wird zur Normalität

Erfüllt mich mein Beruf? Kann ich meine Prioritäten hier umsetzen? Viele Unternehmen haben erstmals schmerzhaft erlebt, dass verdiente Mitarbeiter:innen gekündigt haben, obwohl sie keine wirkliche Kritik am Arbeitgeber hatten. Den Sinn haben sie in einem neuen Job vermutet.

Diese Bereitschaft zu mehr Mobilität wird sich fortsetzen und viele Unternehmen zu deutlich mehr Flexibilität zwingen.

Gerade für Menschen zwischen 20 und frühe 30er wird das berufliche Nomadentum zu einer akzeptierten Lebensform. Flexibel zu arbeiten und alle paar Monate den Standort zu wechseln, ist eine realistische Job-Option geworden für alle, die ihren Job auch virtuell erledigen können. „Von überall aus arbeiten“ könnte auch zum ultimativen Vorteil werden, auf den viele Arbeitnehmer:innen bei ihrem nächsten Job bestehen.

Das dürfte nicht mehr nur zu mehr Homeoffice führen, sondern auch den Trend zur Workation befeuern. Schon jetzt bieten erste Unternehmen ihren Beschäftigten an, eine gewisse Zeit im Jahr auch aus dem Ausland zu arbeiten, um noch attraktiver zu sein. Tagsüber am Laptop, nachmittags auf dem Surfbrett: Diese Vision wird für Beschäftigte zunehmend realistischer.

USA ist uns hier immer etwas voraus. Dort erwarten Expert:innen, dass Menschen künftig zunehmend kürzer bei einem Arbeitgeber bleiben werden.

Wie rüsten Sie sich für die Zukunft? Wie sorgen Sie für eine geringe Fluktuation?

3. Arbeitswege verschwinden

Zwei Stunden konzentrierte Arbeit im Co-Working-Space, während die Kinder in der Kita sind. Ein wichtiges Geschäftstreffen im Büro. Ein Nachmittag auf dem Spielplatz. Am Abend nochmals in Ruhe E-Mails lesen. Für viele Menschen werden die Arbeitstage flexibler und Privat- und Berufsleben vermischen sich.

Dieser Trend führt dazu, dass Menschen nicht mehr alle zur gleichen Zeit zur Arbeit pendeln – oder sogar gar nicht mehr.

Flexibles Arbeiten ist heute die Realität: Einer internationalen Umfrage zufolge wünschen sich 93 Prozent der Wissensarbeiter:innen weltweit die Freiheit zu entscheiden, wo und wann sie ihre Arbeit erledigen. Die Verlagerung weg von den traditionellen Stoßzeiten im Verkehr wird Pendler:innen gleichmäßiger über den Tag verteilen und den Verkehrssystemen eine dringend benötigte Entlastung verschaffen.

Das bedeutet für Arbeitgeber, dass sie sich überlegen müssen, wie sie diese gewünschte Flexibilität ermöglichen, z.B. mit einer Mitgliedschaft in einem Co-Working Space, wie z.B. DesignOffices, damit Mitarbeitende einen professionellen Arbeitsplatz nutzen können; professionelle Ausstattung im Homeoffice sowie Ausbildung der Führungskräfte für Führung auf Distanz.

Welche Pläne haben Sie als Unternehmer für das flexible Arbeiten in Zukunft?

4. Diversität muss weitergedacht werden

Im Jahr 2022 wird die Diversitäts-Messlatte für Arbeitgeber höher liegen. Diversity-Disclaimer in Ausschreibungstexten und vage Lippenbekenntnisse reichen künftig nicht mehr aus.

Diskutiert werden in Zukunft vielmehr: Frauenquoten bei Führungspositionen und ein tiefgehendes Engagement für Vielfalt, das sich auch im beruflichen Alltag widerspiegelt. Menschen mit Behinderung werden nach wie vor von Unternehmen als kompetente Arbeitskräfte unterschätzt, wie die Ergebnisse des German Diversity Monitor 2021 der Diversity-Organisation BeyondGenderAgenda zeigen.

Wer Diversität fördern will, sollte auch Menschen mit unterschiedlichen Sozial- und Bildungshintergründen sowie älteren Bewerber:innen den Zugang zu Jobs ermöglichen.

Ein möglicher Ansporn für Unternehmen: Diversität als wirtschaftlichen Erfolgsfaktor zu begreifen. Ein diverses Team hat einen umsichtigeren Blick auf die eigene Arbeit und das Produkt.

5. Vertrauen und Optimismus werden zu must-haves am Arbeitsplatz

Gerade in den anspruchsvollen Zeiten der Pandemie haben Menschen gelernt, was wirklich von Bedeutung ist. In einer Welt nach der Pandemie werden sich Beschäftigte deshalb mehr denn je von der Relevanz ihrer Arbeit und der Wertschätzung durch ihre Vorgesetzten leiten lassen.

Eine starke Unternehmenskultur zeichnet sich dadurch aus. Leider sind viele Unternehmen hier noch nicht angekommen.

Häufig lag der Fokus in der Vergangenheit auf kurzfristigen, performance–orientierten Ergebnissen – und das auf Kosten zwischenmenschlicher Beziehungen. Wer im Homeoffice beispielsweise ständig vom Arbeitgeber kontrolliert wird, ob er denn gerade auch wirklich das tue, was er tun solle, dem mangelt es an Vertrauen.

Dieses Misstrauen wird auch noch begründet: Laut einer LinkedIn Studie von YouGov fürchten fast 20 Prozent der Führungskräfte negative Folgen für Ihr Unternehmen, wenn sie ihren Mitarbeiter:innen flexibles Arbeiten ermöglichen.

Als Ergebnis fühlen sich Mitarbeiter:innen frustriert und fremdgesteuert. In Einzelinterviews mit Beschäftigten in Wachstumsunternehmen habe ich selbst erlebt, dass sie resignieren.

Organisationen, die es künftig nicht schaffen, ein Vertrauensverhältnis zu den Beschäftigten aufrechtzuerhalten, werden in den kommenden Jahren existenziell bedroht sein, da sie kein personelles Wachstum erreichen.

Nur in einer vertrauensvollen Umgebung können die Mitarbeiter über sich hinauswachsen – sie fühlen sich inspiriert und sicher. Unternehmen müssen verstehen, dass erst die Beteiligung von Mitarbeitenden wertvolle Produktivität und Ergebnisse sichert.

Mein Tipp: 2022 muss Optimismus Einzug halten. Ernest Hemingway schrieb einmal:

„Der beste Weg, um herauszufinden, ob man Jemandem vertrauen kann ist, ihm zu vertrauen.“

Was unternehmen Sie, um eine Vertrauenskultur in Ihrem Unternehmen/Team zu entwickeln?

6. Online- und Präsenzlehre verschmelzen

Ohne Präsenzunterricht waren viele Universitäten und Trainingsinstitute gezwungen, digital zu lehren. Was sich jedoch auch gezeigt hat: ohne Präsenz sind Studium und berufliche Fortbildung nicht optimal durchzuführen. Die Mischung aus Präsenzveranstaltungen und digitalen Lerninhalten – das sogenannte Blended Learning – wird auch für die berufliche Weiterentwicklung künftig eine wichtige Rolle spielen.

Richtig eingesetzt verbindet Blended Learning die Vorteile von Selbst- und Gruppenstudium: Die reine Aneignung von Wissen geschieht zu Hause unter anderem mit Hilfe von Online-Medien. Im Präsenzseminar geht es darum, gemeinsam mit anderen über die Inhalte zu diskutieren und Fragen zu klären. Die digitalen Inhalte des Blended Learning können dabei unterschiedliche Formate annehmen: Von einfachen Videovorträgen, über interaktive E-Books, bis hin zum Einsatz von Virtual Reality (VR) ist alles denkbar.

Gerade in Unternehmen, in denen das Onboarding neuer Kolleg:innen virtuell erfolgt, ist Blended-Learning die wirkungsvollste Methode, um schnell erforderliches Wissen zu vermitteln. Aber auch für berufliche Weiterbildung wird sich dieser Trend in 2022 fortsetzen.

Wie sieht Ihr Weiterbildungsprogramm im Unternehmen aus? Haben Sie Ihr Fachwissen schon digital aufbereitet?

7. Flexible Arbeitszeitmodelle sind gefragt

Die Präsenzkultur im Job, insbesondere bei Wissensarbeiter:innen, gehört zunehmend der Vergangenheit an. Jedoch nicht nur die Anforderungen neuer Mitarbeiter:innen haben sich geändert, sondern auch die Sicht von Vorgesetzten auf ihre Teams. Gezwungenermaßen mussten sie lernen, dass Produktivität nicht in erster Linie davon abhängt, an welchem Ort und zu welchen Zeiten die Arbeit erledigt wird.

Die Gleichung “lange Arbeitszeiten = gute Arbeit = gute Karriere” wird zunehmend in Frage gestellt. Von jungen Bewerber:innen, erfahrenen Arbeitskräften und zunehmend auch von Vorgesetzten und Unternehmen.

Die Forderung nach Homeoffice gehört zumindest bei Bürojobs für viele bereits zu den Minimalanforderungen. Im Wettbewerb um Fachkräfte ist die 4-Tage Woche oder andere flexible Arbeitszeiten der nächste logische Schritt für Unternehmen.

Vier-Tage-Woche für alle? Sicher nicht möglich. Aber flexible Zeiteinteilung? Ja bitte.

 8. 2022 wird das Jahr der Gehaltserhöhungen

2022 wird für viele Beschäftigte ein Jahr der Gehaltserhöhungen. Unternehmen befinden sich in einer Zwickmühle. „Einerseits müssen sie weiterhin ihre Fixkosten begrenzen. Andererseits sehen sie, dass sie die eher mageren Jahre 2020 und 2021 ausgleichen müssen: Nicht nur durch größere Gehaltserhöhungsbudgets, sondern auch durch unterjährige Gehaltserhöhungen, Prämien für besondere Leistungen, Fähigkeiten oder lange Unternehmenszugehörigkeit. „Sie werden all diese Möglichkeiten nutzen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit auch nach der Corona-Krise zu sichern.“ sagt Florian Frank, Head of Talent von Willis Towers Watson

Im Durchschnitt kalkulieren deutsche Unternehmen demnach eine Gehaltssteigerung von 2,7 % ein. Nur gut ein Prozent der Unternehmen plant keine Gehaltserhöhungen (Vorjahr: 8,4%).

Das geht aus dem „Salary Budget Planning Report“ der Unternehmensberatung Willis Towers Watson hervor, die mehr als 600 Unternehmen in Deutschland befragt hat.

Besonders hoch werden die Gehaltssprünge im Bereich Immobilien, im Bau- und Ingenieurwesen sein mit durchschnittlich 3,9 Prozent geplanten Gehaltserhöhungen. Auch in Medienunternehmen und Fintechs können Beschäftigte mit durchschnittlich 3,5 % mehr Geld rechnen.

Warum 2022 Gehaltssprünge eher möglich sein werden, als noch in diesem Jahr, hat mehrere Gründe. Zum einen schätzen die befragten Unternehmen die Geschäftsaussichten mehrheitlich als gut ein. Auf der anderen Seite spüren die Firmen zunehmend den Fachkräftemangel und versuchen, über Gehaltserhöhungen wertvolle Mitarbeiter:innen zu halten und mit großzügigen Gehältern attraktiv für neues Personal zu werden. Arbeitnehmer:innen sind demnach in einer guten Verhandlungsposition.

 9. Resignation und Job-Hopping wird zum Problem

Dass die große Resignation bei Arbeitnehmer:innen zu einem bedrohlichen Trend werden kann, dass haben Unternehmen in USA schon seit Anfang 2021 erlebt, wo massenweise Mitarbeiter:innen ihren Arbeitgeber wechseln. Aber auch deutsche Unternehmer beklagen zunehmend einen Weggang von verdienten Mitarbeitenden, die offen sind für Headhunter-Anrufe.

Das Arbeiten im Homeoffice wirkt sich zunehmend negativ auf die Bindung zum eigenen Unternehmen aus. Die Möglichkeit, im Homeoffice auch für Unternehmen in anderen Städten zu arbeiten, wirkt für viele, insbesondere jüngere Menschen der Generation Y und Z, attraktiv. Da reichen schon kleine Unzufriedenheiten im bisherigen Job aus, um auf Headhunteranrufe positiv zu reagieren.

Unternehmen sollten deshalb das Thema Unternehmenskultur auf ihre Agenda 2022 nehmen. Teamzusammenhalt und Entwicklungsmöglichkeiten ihrer Arbeitnehmer:innen sind entscheidend – wer sich ausprobieren darf und inspiriert wird, bleibt sicher weiterhin gerne im Unternehmen.

Welche Entwicklungen beobachten Sie? Welche „Big Topics“ werden das Jahr 2022 bestimmen? Schreiben Sie mir gerne in den Kommentaren.

Birgit Ströbel
Birgit StröbelAutorin
Visionsentwicklung | UnternehmensKultur | BusinessAngel | Beirat | Transformation | Marke | Berge & Kunst | UnternehmensCoach für nachhaltiges Wachstum in Zeiten digitaler Veränderung.